Zivilisatorische Trumms und Hungerhaken

In hiesigen Breiten verwandelt die Zivilisation ältere Menschen in große unförmige Fleischbrocken.

Je älter sie werden, desto unförmiger werden ihre Körperformen. Sie gehen aus dem Leim. Was als Kind Natur und Zivilisation zu einem intakten funktionsfähigen Körper zusammen schustern, verliert seine Form.

Angekommen in der Welt der Erwachsenen oder gar in der Ehe machen die Menschen sich breit im Jetzt. Sie füllen einen Leerraum aus, körperlich. Je ländlicher sie sich nieder lassen, desto mehr Platz im Raum beanspruchen sie. Das Übergewicht der Älteren ist ihr Ausweis für das Angelangt-sein im Jetzt. Man bewegt sich weniger, körperlich und ernährt sich übermäßig.

So entstehen die bayrischen Stiernacken, die Odenwälder Schiebebäuche, die Pfälzer Riesenbrüste, die türkisch griechischen Stampferbeine, die Berliner Riesenärsche. Alle bewegen sich eher langsam, sie sind ja angekommen, im Leben. Füllen mit allem, was sie haben, den Raum, er gehört ihnen, so ist das neue Normalo.

Man braucht Platz im Jetzt. Ein wenig wie die Schweine, die auf Schlachtreife gefüttert werden, von für diese Tiere heimtückischen Menschen. Auf Normalos wartet kein Metzger. Diabetes, kaputte Knie, Luftnot, die Kalkschulter, das steht vor ihnen. Dazwischen viel Zeitvertreib auf der Couch, in Ruhe. Irgendwann folgt das „man wird doch wohl mal“ und das Stehen im Stau.

Ihr Gegenteil, die zivilisatorischen Hungerhaken, expandieren derweil ins Schrille.

Sie besetzen den Raum nicht durch ihr Volumen, sie setzen auf weiter reichendes: Nervstimmen, schrille Farben ihrer Kleidung und ihres Körpers, Duftmarken, gelegentlich Accessoires wie Hunde, Kleinkinder, Sonnenbrillen, Lockenschöpfe, limitierte Hauteinblicke. Sie bewegen sich raumdefinierend. Mimikry ist ihr Lebens-Geschäftsmodell. Eingehüllt in bunte, schön geschnittene Tücher spielen sie Theaterwelten. Sie lügen gerne, immer. Sie verstecken sich am liebsten in ihrer Exaltiertheit. Einfache Nacktheit zerstört ihr Zivilisations-Geschäftsmodell. Sie fürchten sie. Ihr Altern zerstört alle glatten und bemalten Fassaden, die sie so mühsam aufgebaut und bewahrt haben.

Tiere sehen letzterem eigentümlichen Treiben möglicherweise irritiert zu.  Was soll an einem teilenthüllten Bein einer Menschin interessant sein, fragt sich die Spinne mit ihren 8 behaarten Bein im Theatervorhang. Und die menschliche Verhüllung von Geschlechtsteilen verstehen Hunde gar nicht.

Aktuelle Zivilisation der Menschen treibt in hiesigen Breiten lustige Unterhaltungs-Blüten. Und wir alle sind dabei. Und demnächst zu dem Dauer-Geschimpfe, das nur Dauermasochismus ist.

 

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