Alle Gewählten an die Macht

Alle Gewählten an die Macht

 Immer mehr Menschen denken, in unseren demokratischen Machtstrukturen, in den Parlamenten, Gemeinderäten u.a., wird viel zu viel unproduktiv und unsinnigerweise gestritten und zu wenig konkret gehandelt.

Ohne Reden geht’s aber in der Demokratie nicht. Demokratie heisst ja, jeder Gewählte kommt zu Wort, kann frei seine Meinung sagen, die Mehrheit entscheidet. Basta.

Warum gibt es in unseren demokratische Machtstrukturen so viel Geschimpfe, so viel Unsachliches, soviel Gockeltum?

Ein wesentlicher Grund ist, dass in den Parlamenten und den Regierungen jeweils die Hälfte der Gewählten an der Macht beteiligt ist, die andere Hälfte nicht. Die Macht repräsentiert also immer nur die Hälfte der Bevölkerung, die einen sind die Sieger, die anderen die Verlierer. Also sind die Verlierer sauer, dass sie trotz der vielen Menschen, die für die gestimmt haben, nichts zu sagen haben. Das schafft notwendigerweise böses Blut, Hochmut und Gehässigkeit.

Notwendige Kompromisse gelten als Niederlagen. Vertreter von Parteien streiten dort oft nicht darüber, was eine adäquate Lösung für ein Problem wäre. Nein, sie benutzen die Parlamente als Bühne zur Selbstdarstellung. So hoffen sie bei der nächsten Wahl mehr Stimmen zu gewinnen, um sich solche demokratischen Diskussionen sparen zu können. Und schon ist man als Institution gelähmt und kommt nicht voran.

Muss das so sein? Nein. Wie kann man das ändern?

Ganz einfach: mit Allparteienregierungen.

Wer gewählt wird bekommt auch Macht, als Partei oder als Einzelperson. Und zwar anteilig zu den Stimmen, die man bekommen hat.

Gabs das schon mal?

Öfter. In Kriegszeiten sind in einigen Ländern Allparteienregierungen entstanden.

Alle an der Macht beteiligen?

Möglichst alle, das ist in der Konkordanzdemokratie der Schweiz normal. Möglichst alle politischen Kräfte sollen an der Macht beteiligt sein, also möglichst grosse Mehrheiten bilden und Minderheiten integrieren. Ständige Suche nach Kompromissen, das ist dort Parlaments-Politik.

Schwierig wird es bei denen, die die Demokratie bekämpfen. Auch mit denen sucht man in der Schweiz nach Gemeinsamkeiten. Man beteiligt sie aber nicht am siebenköpfigen Bundesrat, der Schweizer Regierung. Der ist seit 1959 nach der Zauberformel zusammengesetzt: die drei Parteien mit der grössten Parteistärke erhalten jeweils zwei, die mit der viertgrössten einen Sitz (2:2:2:1).

Möglichst alle sollten vertreten sein. So lernt man mit Unterschieden umzugehen und Mehrheiten zu akzeptieren. Parlamente können dann zu einem Ort werden, an dem man lernt wirkliche für alle gangbare und sinnvolle Kompromisse zu machen.

Also Schluss mit dem ENTWEDER – ODER.

Leben funktioniert nicht schwarz-weiss. Das weiß jedes kleine Kind und sucht nach Kompromissen.

Wenn (fast) alle an der Macht beteiligt sind, kann die Bevölkerung sagen, ja, wählen macht Sinn, im Parlament bin auch ich vertreten. Demokratieverdruss wäre vorbei.  

Geht bei uns nicht? Von wegen.

Ein erster Schritt wurde z.B. vor 55 Jahren in der kleinen Gemeinde Ober-Hilbersheim in Rheinland-Pfalz gemacht. Für die Wahl des Gemeinderates wird eine Einheitsliste aufgestellt. Man wählt nicht mehr Parteien, sondern Personen. Das Ziel: kein unnötiger (Parteien) Streit mehr im 1000 Menschen Dorf. Zusammenarbeit statt Lagerdenken. Angeblich funktioniert das und hat sich rumgesprochen. Bei der Kommunalwahl 2019 stand bei mehr als 300 Gemeinden in Rheinland-Pfalz nur eine einzige Liste auf dem Wahlzettel.

Also, möglichst Allparteienregierungen. Bei uns hieße das auf Bundesebene in Berlin aktuell (ein wenig modifiziert): eine 9 köpfige Regierung mit folgenden Ministern: 2 CDU, 2 AfD, 2 SPD, 2 Grüne, 1 FDP. Und alle müssten sich einigen. Das wäre doch was, oder?